Eintrag vom 24. Juni 2021

Im neuen Leben angekommen

Der Weg zweier unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zur Lebenshilfe

Die große Fluchtbewegung des Sommers 2015 hat ganz Europa nachhaltig geprägt. Für Arif Shafaie und Sami Akbarzada aus Afghanistan war es der Beginn eines neuen Lebens in der Steiermark und bei der Lebenshilfe.

Arif Shafaie hat seinen Traumjob gefunden.

von Max Daublebsky

„Wir schaffen das!“, hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung im Sommer 2015 gesagt und sich damit viel Kritik eingehandelt. Ihre Worte waren aber auch eine Botschaft der Hoffnung, die vom Einsatz unzähliger Menschen am ganzen Kontinent genährt wurde. Auch in der Steiermark haben zu dieser Zeit viele durch ihre Unterstützung für Menschen in Not diese Worte mit Leben erfüllt. Nicht zuletzt im Flüchtlingsquartier für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) der Lebenshilfe in Söding, in dem sich viele Lebenshilfe-Mitarbeiter*innen ehrenamtlich engagiert haben.

Aufnahme  in einer Familie

Auch Sami Akbarzada und Arif Shafaie sind dort gelandet, nachdem sie unabhängig voneinander aus Afghanistan geflüchtet sind – ohne zu wissen, wo es sie hin verschlagen und welchen Einfluss das auf ihr weiteres Leben haben würde. Dass sie kaum sechs Jahre später bestens integrierte Mitglieder unserer Gesellschaft sein werden, haben Sami und Arif bei ihrer Ankunft in Söding vielleicht schon gehofft. Dass sie einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie Menschen mit Behinderungen unterstützen, war für die beiden heute 21-Jährigen damals aber noch nicht vorstellbar.

„Zuerst war ich orientierungslos“, erzählt Sami. „Langsam habe ich mich dann aber immer wohler gefühlt.“ Auch dank der Unterstützung der Familie von Othmar Stepanek, Leiter des Einrichtungsverbundes Voitsberg der Lebenshilfe und damals als Freiwilliger im Flüchtlingsquartier aktiv. Einige Monate nach seiner Ankunft haben die Stepaneks Sami dann sogar bei sich zuhause aufgenommen. „Sie sind wie meine eigene Familie“, erzählt er heute.

„Mit viel Energie und Entbehrungen ist Sami weit gekommen“, sagt Othmar. „Er hat schnell Deutsch gelernt und sich freiwillig in der Werkstätte Karlschacht engagiert. So hat er den Weg in den Sozialbereich gefunden und die Ausbildung zum Fachsozialbetreuer und Pflegeassistenten gemacht.“ Seit Juni 2020 ist Sami nun als Begleiter in der Tagesförderstätte Voitsberg bei der Lebenshilfe angestellt. „Als ich in Söding angekommen bin, habe ich mit drei anderen ein Zimmer geteilt. Jetzt stehe ich auf eigenen Beinen und ziehe bald in meine erste eigene Wohnung“, erzählt Sami stolz. „Ich bin dankbar für die Hilfe der Stepaneks und der Lebenshilfe, die mich aufgenommen und unterstützt haben!“

Unterstützung vom Team

Auch für Arif hat das Jahr 2020 einen wichtigen Meilenstein gebracht: Im Dezember hat er einen positiven Asylbescheid erhalten – unter anderem unterstützt durch ein seitenlanges Schreiben des Teams des Wohnhauses am Rosenhain, in dem sich der junge Mann seit seinem Umzug nach Graz im Jahr 2018 ehrenamtlich engagiert hat. „Ich hatte Sorge, ob es klappt und habe mich dann total gefreut. Ich weiß, dass es nicht selbstverständlich ist, dass sich alle so für mich eingesetzt haben.“

Im April 2021 konnte Arif nun auch seine erste Stelle im Wohnhaus am Rosenhain antreten. „Mein Herz brennt für Menschen mit Behinderungen. Ich versuche, ihnen dabei zu helfen, ihr Leben so zu führen, wie sie es möchten“, erzählt er und seine Kollegin Eva Tscherning bestätigt: „Arif hat ein tolles Gespür, er findet zu allen einen Zugang!“

Seit 2015 ist viel passiert, die Entwicklungen und Geschehnisse von damals haben Europa nachhaltig verändert und Angela Merkel wird bald nicht mehr Kanzlerin sein. Während viele, die 2015 nach Söding gekommen sind, Österreich inzwischen wieder verlassen mussten, haben Sami und Arif die Chance bekommen, dem Land und den Menschen, die sie aufgenommen haben, etwas zurückzugeben. Für die beiden haben sich Merkels Worte also bewahrheitet: Sie haben es geschafft!

Sami Akbarzada

Dieser Beitrag ist im Jahresbericht der Lebenshilfe erschienen. Den kompletten Jahresbericht gibt es hier zum Herunterladen:

Jahresbericht_2020 (PDF, 3 MB)

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